Dienstag, 12. Juli 2016

Meine erste Geschichte: Die lange Fahrt Teil 2

Tageslicht fiel auf ihr Gesicht, langsam öffnete Lisbeth die Augen. Der Schlaf hatte wohl einige Zeit von ihr Besitz ergriffen, wenn es schon draußen hell wurde. Ihr Magen zog sich mit einem Knurren zusammen. Sie hatte riesigen Hunger, kein Wunder die letzte Mahlzeit war vor ihrer Abfahrt. In der Küche würde doch wohl etwas Essen zu finden sein, hoffte sie zumindest. Dafür musste sie sich erst einmal aufrichten, was ihr wiederum nicht leicht fiel. Halb sitzend auf dem kalten Boden zu schlafen, hatte ihre Beine steif werden lassen. Sie zog sich an der Küchenzeile hoch, streckte sich vorsichtig und ging zum Kühlschrank rüber. Kühle Luft kam ihr entgegen als sie diesen öffnete. Innen fand sie ein paar Scheiben Brot, eine Flasche Saft und ranzige Butter. Es würde genügen müssen vorerst und so würgte sie zwei trockene Brotscheiben herunter. Heruntergespült mit Saft war es immerhin zu ertragen. Ihr Hungergefühl war zwar immer noch nicht ganz gestillt aber es musste genügen. Gestärkt begann sie ihre weiteren Schritte zu planen. Am Tage war es eventuell leichter einen Weg zum Leuchtturm zu finden. Oder sie versuchte ihr Glück in den anderen Gebäuden, eventuell ließ sich dort noch etwas hilfreiches finden. Andererseits wusste sie nicht, ob die Ursache für den Toten nebenan, sich immer noch in der Nähe befand. Auch wenn sie bisher unbehelligt blieb, konnte sich dies schnell ändern. Sie entschied sich vorsichtig die Gegend zu erkunden, um dann wenn es sicher war, sich zum Leuchtturm durch zuschlagen. Vielleicht fand sie auf dem Weg jemanden der ihr helfen konnte. Hier bleiben konnte sie nun wirklich nicht. Lisbeth schnappte sich ihr Messer und die Taschenlampe für den Aufbruch. Kaum durchquerte sie die Wohnstube auf dem Weg zur Haustür, fiel ihr Blick wieder zum Sofa. Da wo vor ein paar Stunden noch eine übelst zugerichtete Leiche lag, waren nur noch Blutspuren. Von dem Körper keine Spur. Ihre Gedanken kreisten wie wild, überschlugen sich förmlich. Zu rationalem Denken war sie absolut nicht in der Lage. Es war an dem Körper kein Lebenszeichen zu finden gewesen. Wie konnte er denn nun einfach so verschwinden? Oder hatte gar der Mörder die Leiche geholt? Pure Angst trieb ihren Puls in die Höhe, ihr Blick hastete in alle Ecken. Nicht eine einzige Spur war zu entdecken. Lisbeth wollte schon vor lauter Panik einfach drauf losstürmen, besann sich aber eines besseren. Was brachte es ihr denn, außer in einer kopflosen Handlung, wem auch immer in die Arme zu laufen. Nein, ruhig bleiben war die Devise. Ein Blick durch die Fenster zeigten Fetzen von Nebelschwaden. Das könnte meine Chance sein, im Nebel unerkannt aus dem Dorf heraus zu schleichen, hoffte sie. Sie schritt langsam in Richtung Haustür, dort angekommen, öffnete sie diese vorsichtig. Vor der Tür war wirklich Nebel über das Meer aufgezogen. Lange Nebelbänke schoben sich mittlerweile zwischen den Straßen hindurch. Die kühle, feuchte Luft ließ Lisbeth frösteln. Hierzubleiben war keine Option mehr, darum schritt sie Mutig in den Nebel hinein. Rechts um die Hütte herum entdeckte sie einen Holzschuppen, beim näherkommen konnte sie ein Vorhängeschloss sehen. Ihre Hand glitt in die Hosentasche. Ob der Schlüssel wohl passen könnte, grübelte Lisbeth, während sie ihn in das Schloss gleiten ließ. Mit einem Klicken schnappte der Mechanismus auf, die Tür öffnete sich dabei einen Spalt. Innen konnte sie auf den ersten Blick nur ein kleines Motorboot und rechts an der Wand eine schwere Regenjacke entdecken. Wenigstens würde sie nun nicht unbedingt erfrieren, ein Grinsen ging über ihr Gesicht. Da nichts weiteres zu finden war, drehte sie sich um, der Schuppen blieb langsam hinter ihr im Nebel zurück. Ein kleines Stück weiter verlief der Weg, der durch den Ort führte. Graue Schleier zogen immer dichter werdend vor ihr entlang. Der Ort war wirklich nicht groß. Eine Straße, sofern man diese so nennen durfte, führte geradewegs hindurch. In keinem der Häuser, an denen sie vorbeikam, war jemand zu entdecken. Nicht das sie sich die Mühe machte genau nachzuschauen. Ihre Schritte führten automatisch immer schneller Richtung Ortsausgang. Wer weiß was sonst noch alles hier auf sie lauerte. Die Fluch weg von hier war die beste Option. So weit sie es in dem Nebel abschätzen konnte, führte die Straße an der Küste lang, hoch zum Leuchtturm. Zwar noch ein ganzes Stück entfernt, aber schaffbar. Nur ein paar Schritte trennten Lisbeth von der Ortsgrenze, da waren sie das erste Mal zu hören. Schmerzverzerrte Schreie hallten durch den Nebel. Jetzt wollte sie wirklich nur noch eins, fort von hier. Da sie die Herkunft der Schreie nicht orten konnte, rannte Lisbeth einfach drauf los. Immer der Straße entlang, tiefer in den Nebel hinein. Das Gefühl verfolgt zu werden bohrte und kratzte an ihrem Hirn. Gehetzt blickte sie sich immer wieder um. Stechende Schmerzen in der Brust machten ihr das Laufen wirklich schwer. Allein das Atmen war in dem Moment eine Qual durch die körperliche Anstrengung. Ihre Schritte wurden immer langsamer. Um zu Atem zu kommen blieb sie stehen und stützte sich an einem Baum ab.  Kurze Zeit später waren Schritte im Nebel vor ihr zu hören. Lisbeth zuckte vor Furcht zusammen. "Hilfe, bitte helft mir!"- kreischte eine Stimme. Ein Schemen tauchte vor ihr im Nebeldunst auf. Gerade als sie diesem etwas zurufen wollte, erschien ein weiterer Schemen. Schreckliche gurgelnde Laute begleitet von irren Gelächter drangen zu Lisbeth hinüber. Das Lachen entfernte sich immer mehr und war irgendwann gar nicht mehr zu hören. Unbewusst hatte Lisbeth sich während dessen immer mehr hinter dem Baum verkrochen. Dort wo eben die beiden Schemen standen lag nun nur noch einer am Boden. "Hilfe...." - röchelte die Stimme wieder zu ihr rüber. Sollte sie wider jeder Vernunft zu Hilfe eilen oder besser von hier fort? Ein Schritt folgte dem anderen. Der Körper am Boden kam immer näher. War sie denn verrückt dorthin zu gehen? Natürlich, aber sie konnte nun einmal niemanden in Not die Hilfe verweigern. Der Griff um ihr Messer wurde fester. Langsam wurde die Silhouette deutlich sichtbarer. Immer wieder schaute Lisbeth sich hektisch um. Endlich konnte sie den auf dem Boden liegenden Körper deutlicher sehen. Nacktes Entsetzen überkam sie beim Anblick des mittlerweile toten Mannes. Wie bei der Leiche im Haus wurde auch hier ein langer Schnitt am Hals vorgenommen. Die Blutlache um den Leichnam wurde immer größer. Das alles war zuviel für Lisbeth, sie ließ ihr Messer fallen und erbrach sich auf die Strasse. Sobald sich ihr Magen beruhigt hatte, wischte sie sich den Mund ab. Gerade wollte sie sich hinunter beugen um das Messer wieder aufzuheben, hörte sie hinter sich wieder dieses irre Lachen. Im gleichen Augenblick spürte sie einen stumpfen Schlag am Hinterkopf. Ein schwarzer Schleier legte sich über ihre Augen und sie fiel zu Boden.

"Wach auf. Du sollst endlich aufwachen!"- drang eine schrille Männerstimme durch den Schleier der Ohnmacht zu ihr durch. Langsam öffnete sie die Augen. Ein Mann mit irrem Blick und wirrem Haar schaute auf sie herab. " Ahhhh, sind wir endlich aus dem Land der Träume zurückgekehrt. Beeil dich wir haben nicht viel Zeit bevor er wieder kommt." - seine Stimme wurde immer schriller, irgendwie hektischer. Er reichte ihr die Hand um aufzustehen, Lisbeth zuckte zurück. Sie wollte intuitiv zu ihrem Messer greifen, da fiel ihr alles wieder ein. "Was ist hier los? Wer sind sie?" - sie fasste sich an ihren schmerzenden Hinterkopf. "Wir haben keine Zeit für Erklärungen. Folge mir, ich bringe dich hier raus." - seine Hand immer noch ausgestreckt. Zögerlich griff sie zu und ließ sich aufhelfen. "Mein Name ist Ismael, jetzt raus hier. Komm schnell."
"Warte ich kann nicht so schnell rennen. Meine Rippe ist verletzt, ich bekomme kaum Luft beim Laufen." - stöhnte sie schwer atmend. Ismael kam ihr entgegen und half ihr so schnell es ging nach draußen. "Wenn wir zu lange brauchen wird er uns holen" - in seiner Stimme schwang Furcht mit. "Wen meinst du Ismael? Ist dieser Mann dafür Verantwortlich was hier passiert?" - Ismael blickte sie ängstlich an. "Genug Fragen für jetzt. Bitte sei leise und komm endlich." - Er führte sie eine Treppe hinauf. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Anscheinend war sie in einer Art Keller gefangen gewesen. Oben angekommen konnte sie einen langen spärlich beleuchteten Gang blicken. "Wo führt uns dieser Weg Ismael?" - sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Ismael bedeutete ihr mit seiner Hand sie solle still sein, ging dann vorsichtig weiter ohne etwas weiteres zu sagen. Das Ende des Ganges kam immer näher. War das Meeresrauschen was sie da hörte? "Hinter dem Gang ist eine grössere Höhle, da liegt mein Boot. Damit bringe ich uns hier weg." - seine Schritte wurden schneller. Hinter ihnen erklang auf einmal dieses irre Lachen. Beide blickten sich gleichzeitig um. Am anderen Ende des Ganges stand eine dunkle Gestalt, dass Gesicht verhüllt mit einer Kapuze. Gemächlich schritt sie auf die beiden zu, in der rechten Hand ein Messer. "Egal wie es um dich steht. LAUUUUFFFFF!" - Ismael rannte los ohne auf Lisbeth Rücksicht zu nehmen. Sie schaute hinter ihm her und begann ebenfalls zu rennen. Ihre Brust explodierte förmlich vor Schmerzen. Aber das war nun egal, sie musste schnell weg von hier. Hinter dem Gang lag eine große Höhle  in der ein Steg ins Meer hineinragte. Dort schwappte ein Ruderboot in den Wellen auf und ab. Ismael löste das Tau und half ihr hinein. Mit einem kräftigen Stoß eines der Ruder glitt das Boot weg vom Steg hinaus aufs Meer. In genau diesem Moment betrat die Gestalt die Höhle. Keine Kapuze verdeckte mehr das Gesicht und so konnte sie erkennen das es ein Mann war. Doch etwas war komisch an ihm. Dort wo die Augen sein sollten blickte Lisbeth nur in leere Höhlen. Ein diabolisches Grinsen ging über sein Gesicht. Mit schnellen Schritten rannte er auf das Boot zu. Doch zu spät, Ismael ruderte schon aus der Höhle hinaus. Sie wähnten sich schon in Sicherheit,da warf der Mann das Messer aus seiner Hand in ihre Richtung. Ismael stöhnte auf, Blut tropfte aus seinem Mund. Das Messer hatte ihn direkt in den Rücken getroffen. "Nimm du die Ruder." - entfuhr es ihm stöhnend. Lisbeth schnappte sich die Ruder und mit ein paar Ruderschlägen waren sie auf dem Meer. Sie blickte noch einmal in die Höhle zurück. Der Mann war fort, nur sein Lachen schallte zu ihr hinüber.

Fortsetzung folgt...

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